Nicht überall, wo Politische Bildung drin ist, steht auch Politische Bildung drauf, findet Lothar Harles, seit Mai Vorsitzender des Bundesausschuss Politische Bildung (bap). Harles strebt daher neben eigenen Aktivitäten eine stärkere Vernetzung mit anderen Trägerbereichen und -strukturen an – ohne dabei jedoch die Aufgabe der Politischen Bildung aus den Augen zu verlieren: die Stärkung von Partizipation und Demokratie.

Sie sind im Mai einstimmig zum bap-Vorsitzenden gewählt worden. Was ändert sich dadurch an der Arbeit des bap? 

Mit meiner Wahl zum Vorsitzenden des bap sind erst einmal keine grundsätzlichen Änderungen unseres Netzwerkes der Träger politischer Bildung verbunden. Unser Ziel bleibt immer die Stärkung der Demokratie. Ich bringe allerdings durch meine bisherige Tätigkeit andere Erfahrungen und Kontakte in die Arbeit als mein Vorgänger Theo W. Länge mit. Dadurch werden sich einige Akzente verschieben.

Wie beschreiben Sie diese Akzentverschiebungen in Grundzügen?

Zuvorderst finde ich es wichtig, noch stärker als bisher herauszufinden, wo eigentlich überall die Profession der Politischen Bildung gefragt ist. Wie das Studium der Koalitionsvereinbarung und vieler Förderprogramme und Aktionen zeigt, steht nicht überall politische Bildung vorne drauf, wo sie drin ist. Wir müssen also Schauplätze, Orte und Formate der Politischen Bildung identifizieren, darüber mit den Akteuren diskutieren und die Zusammenarbeit kultivieren.

Sie wollen also neue Partner für das Netzwerk gewinnen?

Im Prinzip läuft es darauf hinaus, auch neue Partner ins Boot zu nehmen. Ich glaube aber auch, dass wir bei einem Blick über unseren Gartenzaun von anderen Trägerbereichen und Strukturen lernen können. Der Kontakt zur Jugendsozialarbeit, zur kulturellen Bildung oder zur beruflichen Bildung kann zu interessanten Kombinationsmöglichkeiten für unsere Arbeit führen. Auch eine noch engere Zusammenarbeit mit den Referenzwissenschaften der politischen Bildung wird uns weiter bringen. Nicht zuletzt, ist – wie mir meine internationalen Erfahrungen zeigen – auch der Blick über den nationalen Tellerrand nach Europa erforderlich.

Der Politischen Bildung wird immer wieder mal nachgesagt, dass sie ein wenig die graue Maus der Bildungspolitik ist. Wie schätzen Sie die öffentliche Präsenz und Wirksamkeit ein?

Ich glaube, dass wir gegen diesen Ruf in den vergangen Jahren viel unternommen haben: aktive Mitwirkung an den Aktionstagen Politische Bildung, am Deutschen Weiterbildungstag, Newsletter politische Bildung, Preis Politische Bildung, bessere Webpräsenz, ein Trendbericht Politische Bildung ist in Arbeit. Im heutigen Medienzeitalter wird man aber nie damit fertig, die Sichtbarkeit und Präsentation der Kompetenzen der Politischen Bildung zu verbessern. Die neue Reihe der bap-Mat(erialien) stellt hier eine sinnvolle Ergänzung der Palette dar. Entscheidend ist für die gute Präsenz aber die kontinuierliche und qualifizierte Arbeit unserer Mitglieder. Ob wir in Zukunft stärker in die Web 2.0-Anwendungen einsteigen, würde ich nicht beschwören. Die Tagung des Runden Tisches der bpb zu diesem Thema im Februar dieses Jahres, die ich mit gestaltet habe, hat zwar einige interessante Erkenntnisse erbracht, aber da ist auch nicht alles Kommunikation, was glänzt.

Was werden die nächsten Themen sein, die der bap aufgreift?

Wir müssen immer auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und auf zukünftige Herausforderungen reagieren. Deshalb sind es viele Themen, die durch unsere Mitglieder aufgegriffen werden müssen: Bankenkrise, Umweltpolitik, Extremismus in allen Formen, soziale Fragen, Strukturwandel in der Gesundheitspolitik, Integration… Hier verlangt die Bevölkerung Informationen und Orientierung. Der bap wird in seiner Zeitschrift „Praxis Politische Bildung“ den Diskurs begleiten. Die grundsätzliche Aufgabe der Politischen Bildung ist und bleibt die Förderung der Partizipation und der Demokratie.

Was gehen Sie als nächstes an?

Die wichtigste Aufgabe sehe ich für unser Netzwerk in einem guten Kontakt zur Politik, auf den wir in unserer Arbeit stark angewiesen sind. Mit Hilfe dieser Kontakte müssen wir erreichen, dass unsere Arbeitsgrundlagen gesichert werden. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass die Politische Bildung auch als Bestandteil des Bildungssystems anerkannt wird. Dazu ist es nötig, dass wir unsere Kompetenzen als Bildungsträger der nicht-formalen Bildung näher definieren. Dann wird es auch kein Problem sein, dass Politische Bildung bei der Schwerpunktsetzung der 10% des Steueraufkommens für Bildung und Forschung Berücksichtigung findet.

Lothar Harles ist seit Mai 2010 Vorsitzender des Bundesausschuss Politische Bildung. Der 57-jährige ist seit 2000 Geschäftsführer der AKSB. Weitere bundesweite Tätigkeiten: Bundesvorsitzender des Bundesverbandes Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) (1983-1989), Vorsitzender der „Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Mittelfristige Internationale Soziale Freiwilligendienste“ (1997-2003) und seit 2007 Vorsitzender von IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Interview mit Lothar Harles